Die Geschichte vom Fuchs, der zum TV Kirchheim kam

von FUX

Prolog

Liebe Kirchheimer Turnkinder!

Zum Nikolaustag ist ein kleiner Fuchs zum Turnverein Kirchheim gekommen. Daran könnt ihr Euch bestimmt noch gut erinnern. Doch wo kam der kleine Fuchs her? Wieso heißt er Kiri, wie unser Dorf und wieso ist er überhaupt nach Kirchheim und zum Turnverein gekommen?

Bevor ich euch das alles berichte, möchte ich euch etwas über Füchse erzählen:

Füchse sind, wie ihr sicherlich wisst, schlaue und listige Tiere, die im Wald oder in Hecken und Büschen in Erdhöhlen, die man Bau nennt, leben. Sie sind etwa so groß wie ein kleiner Hund, aber dabei etwas höher als ein Dackel. Sie haben vieles mit ihren Verwandten, den Hunden und ihren Vettern den Katzen gemeinsam. Sie haben sehr gute Nasen und können eine Maus sogar durch eine dicke Schneedecke erschnüffeln. Sie können gut springen, aber auch ausdauernd laufen. Sie sind ausgezeichnete Jäger und fressen entgegen der allgemeinen Meinung gar nicht so viele Gänse, sondern viel mehr Mäuse und kleinere Vögel. Gänse sind ihnen nämlich viel zu groß und außerdem, wenn wir ehrlich sind, auch zu stark! Wer möchte schon von einer ausgewachsenen Gans einen Satz heiße Ohren mit den Flügeln bekommen? Füchse sind, wie schon gesagt, sehr schlau und beobachten den Menschen ganz genau, um zu erfahren, wo sie ohne lange Jagd an etwas leckeres zu fressen kommen können. Hühner- oder Hasenställe müssen gut beschützt werden; vor allem, wenn sie am Rand eines Dorfes liegen.

Füchse haben ein rot-braunes Fell, das an den Füßen und den Ohren schwarz und am Hals und Bauch weiß ist. Ihr Fell ist im Sommer glatt und kurz und im Winter dicht und flauschig.

Sie haben spitze, große Ohren, einen langen, buschigen Schwanz und spitze Nasen. Füchse haben große, hübsche Augen, die so ähnlich ausschauen wie Katzenaugen. Sie können damit in der Nacht sehr gut sehen. Was ihr vielleicht nicht wusstet: Füchse können Bellen. Ihr Bellen klingt etwa so: wuhhh – wuhhh – wuhhh. Wenn man im Frühjahr in der Abenddämmerung am Ortsrand spazieren geht und ganz leise ist, kann man das Fuchsbellen hören, wenn sich die Tiere gegenseitig rufen.

Füchse haben einmal im Jahr vier bis sechs Junge, die sie in ihren Bau aufziehen. Ein Fuchs verlässt den elterlichen Bau, wenn er etwa ein Jahr alt ist.

Nun wisst ihr etwas mehr über Füchse. Sie sind schon tolle Tiere nicht wahr?

Kapitel I

oder als sich ein Fuchs entschied zu turnen

Ich möchte euch nun die Geschichte von einem kleinen Fuchs erzählen, der einige Abenteuer erleben musste, bevor er zu euch nach Kirchheim gekommen ist.

Im Frühjahr als der Schnee geschmolzen war und die Vögel anfingen, den Frühling mit ihrem Gesang zu begrüßen, ist ein kleiner Fuchs auf die Welt gekommen. In den ersten Tagen lag er ganz dicht an seine Mama gekuschelt im Fuchsbau und er hat fast den ganzen Tag nur geschlafen. Doch er wurde schnell größer und schon bald tollte er mit seinen Geschwistern im Fuchsbau herum. Er war zwar nicht der größte, wie sein Bruder und auch nicht der schnellste, wie seine ältere Schwester und schon gar nicht der geschickteste wie seine kleine Schwester, aber er war eindeutig der wildeste und mutigste. Und er war von altem Fuchsadel. Ja, ihr habt richtig gehört! Füchse kennen genau wie die Menschen früher auch heute noch Adlige und Ritter. Unser kleiner Fuchs gehörte zur alt-ehrwürdigen Familie der Füchse vom Reinhardswald. So war es auch kein Wunder, dass er vier Vornamen bekam. Korbinian Ingbert Rasmus Isenfried vom Reinhardswald lautet sein voller Name.

Wie es bei Adligen üblich ist, war bereits früh klar, dass sein Bruder die Familie führen und den Bau erben wird. Seine Schwestern waren jungen Prinzen als Ehefrauen versprochen. Unser kleiner Fuchs sollte Ritter in der Fuchsgarde werden. So kam es, dass er zur Ausbildung als Knappe zu einem Fuchsritter gegeben wurde. Der Fuchsritter aber war ein strenger Ziehvater.

Korbinian bekam schon am ersten Tag mächtig Ärger, als er, wie er es so gerne mochte, herumtollte, hüpfte und sprang. „Du hast still zu stehen und mach den Rücken gerade, du Welpe!“ herrschte ihn der Ritter an. Doch Korbinian war so aufgeregt, dass er leise fiepen musste und beim Stillstehen hin und her wackelte. Auch seinen Schwanz konnte er nicht stillhalten. Der alte Ritter wurde sehr wütend und schickte ihn ohne Abendessen ins Bett.

So sehr sich unser kleiner Fuchs auch bemühte, das Stillstehen und Wachehalten war nichts für ihn. Kaum ein Tag verging, ohne das er ausgeschimpft und bestraft wurde. Als er einmal die ganze Nacht im strömenden Regen vor dem Fuchsbau des Ritters Wache stehen musste, weinte er leise vor sich und haderte mit seinem Schicksal. Da hörte er ein leises Stimmchen: „Hallo kleiner Fuchs, warum weinst du denn?“ Ein kleiner Frosch saß ganz dicht bei seinen Füßen vor ihm im Gras und schaute ihn freundlich an. „Ach“, jammerte der Fuchs „Ich darf nicht springen und toben. Immer muss ich stillstehen. Da mag ich gar kein Ritter mehr werden, wenn ich immer nur Wache stehen soll.“ „Das kann ich gut verstehen.“ sagte der Frosch. „Wenn du so gerne springst und dich bewegen möchtest, warum gehst du nicht zu den Turnern? Die Turner lernen Springen, Hüpfen, Rolle vorwärts, Rolle Rückwärts und noch viel mehr.“ sprach er weiter. „In Kirchheim bei den Steinbrüchen gibt es einen Turnverein, wo ganz viele Kinder eifrig turnen.“ erzählte der Frosch.

Korbinian war begeistert und als er endlich schlafen durfte, träumte er davon Turner zu werden. Am nächsten Morgen als er wieder wach wurde, stand sein Entschluss fest. Er würde Fortgehen und sein Glück als Turner suchen.

Kapitel II

oder die Geschichte mit den Tieren im Wald

Wisst ihr noch was zuletzt passiert war? Unser kleiner Fuchs sollte Ritter in der Fuchsgarde werden – doch er konnte überhaupt keine Freude daran finden Wache zu stehen und still zu sitzen. Als ihm der kleine Frosch vom Turnverein in Kirchheim und den Turnern erzählt hatte, war er begeistert und wollte unbedingt Turner werden; machte ihm das Springen, Hüpfen und Rennen doch so viel Spaß.

So kam es, dass Korbinian Ingbert Rasmus Isenfried vom Reinhardswald – Ihr habt sicherlich noch alle seine anderen Vornamen gewusst – eines Nachts heimlich aus dem Bau des Fuchsritters floh. Er hatte sich für seine Flucht eine dunkle und mondlose Nacht ausgesucht. Zuerst musste er ganz flach an den kalten und feuchten Boden gedrückt durch eine stachelige Dornenhecke kriechen, um danach mit einem weiten Satz über den leise dahin plätschernden Bach zu springen. Zuletzt musste er noch über den unheimlichen, hohlen Baumstamm balancieren, der über dem tiefen und mit stinkendem Morast gefüllten Graben lag. Er war fürchterlich aufgeregt und setzte vorsichtig eine Pfote vor die andere, als er plötzlich ein unheimliches Geräusch hörte. „Huuh – Huuhuu – Huuhuu!“ schallte es aus dem vor ihm aufragenden Wald. Der kleine Fuchs erstarrte und horchte auf. Seine Ohren zuckten, während er aufmerksam lauschte. Sicher wisst ihr welches Tier da am Waldrand auf einer hohen Eiche saß und in die Nacht schrie. Korbinian wusste natürlich auch genau, dass da ein Uhu war, schließlich war er ein Fuchs und kannte die Tiere des Waldes genau. Korbinian hätte den Uhu gerne gefragt, in welche Richtung er laufen muss, um nach Kirchheim zu kommen, aber der unheimliche Nachtvogel war bereits ganz leise davongeflogen.

So lief unser kleiner Fuchs immer seiner Nase nach mutig in den Wald hinein, auch wenn er nicht genau wusste, wohin er sich wenden musste. Er vertraute einfach auf sein Glück, als er zwischen den hohen Eichen hindurchschnürte und konzentriert darauf achtete, ob er andere Tiere hören, sehen oder riechen konnte. Der großen Rotte der riesigen und müffelnden Wildschweine wich er geschickt aus – Wildschweine grunzten, waren immer etwas aggressiv, wenn ihre Jungen dabei waren und außerdem waren sie ein bisschen dumm. Korbinian glaubte daher nicht, dass sie ihm den rechten Weg hätten weisen können.

So kam er auf eine Lichtung, die im nächtlichen Dunst eines kleinen Teiches lag. Die Nebelschwaden zogen gespenstisch über das herbstfeuchte Gras und Korbinian entdeckte einen großen, gehörnten Schatten auf der Lichtung. Majestätisch schritt der König des Waldes aus dem Nebel. Es war ein mächtiger Hirsch mit einem riesigen Geweih. Korbinian zählte schnell nach, um festzustellen, dass es ein Zwölfender war und sprach ihn mutig aber auch respektvoll an: „Eure Majestät, dürfte ich euch nach dem Weg nach Kirchheim fragen?“

Doch der Hirsch schaute ihn nur von oben herab an, kaute mürrisch auf ein paar Grashalmen und lies unseren kleinen Fuchs wortlos links liegen. „Blöder, eingebildeter Heini!“ murmelte Korbinian vor sich hin und lief trotzig weiter. „Ich werde den Weg nach Kirchheim auch ohne deine Hilfe finden.“ dachte er.

Doch so einfach, wie sich unser heldenhafter Fuchs das vorgestellt hatte, war es dann doch nicht. Er lief lange durch den Wald. Vorbei an den Birken, wo er ein paar Rehe aufschreckte, weiter in ein Tannendickicht, in dem er endgültig die Orientierung verlor bis hin zu den Buchen, wo er einen der letzten Steinpilze des Jahres fand. Er war müde und hungrig. So fraß er einige Brombeeren, die am Rand eines Forstweges wuchsen.

Plötzlich erklang hinter ihm eine tiefe Stimme: „Potztausend! Was macht denn so ein kleiner Kerl hier in der Nähe der Menschenstraße?“ Unser kleiner Fuchs wirbelte herum und riss seine Augen vor Schreck weit auf – er hatte kein Tier hören oder wittern können. Vor ihm stand ein alter Dachs, der ihn fragend aber auch ein wenig besorgt ansah. „Gevatter Dachs, wie…wie… wo kommst du plötzlich her?“ fragte Korbinian stotternd. Der Dachs legte den Kopf schief und sprach mit knarzender Stimme: „Nun, mein Sohn ich komme gegen den Wind, damit man mich nicht riechen kann. Wie das geht solltest du eigentlich wissen.“ Korbinian neigte peinlich berührt den Kopf – natürlich wusste er wie das ging, schließlich sind Füchse ja Raubtiere. „Ich war so furchtbar müde und hungrig, da habe ich nicht mehr richtig aufgepasst.“ gab er zu.

Der Dachs war ein mürrischer, aber liebevoller alter Bursche, der unseren kleinen Fuchs für den Rest der Nacht in seinen Bau, der ganz in der Nähe unter einer hohen Kiefer lag, einlud. Korbinian war erleichtert ein ruhiges, trockenes und vor allem warmes Nachtlager gefunden zu haben. Vielleicht konnte ihm der Dachs, er hieß übrigens Grimbart wie alle alten Dachse, am nächsten Tag sogar den Weg nach Kirchheim zeigen.

Kapitel III

oder die Geschichte mit dem Jäger

Der kleine Held unserer Geschichte Korbinian Ingbert Rasmus Isenfried vom Reinhardswald war nach einer anstrengenden nächtlichen Flucht durch den tiefen, dunklen Wald glücklicherweise auf den Dachs Grimbart gestoßen, der ihn in seinen Bau einlud. Der kleine Fuchs hatte dort den Rest der Nacht und den ganzen folgenden Tag tief und fest geschlafen. Eingerollt und den buschigen Schwanz über seine Nase gelegt, hatte er von seinem Abenteuer und den Tieren im Wald, aber auch wieder vom Turnen geträumt. Als er in der Abenddämmerung endlich aufgewacht war, begrüßte ihn Grimbart mit einem leckeren Frühstück aus süßen Waldbeeren, knackigen Nüssen und ein paar saftigen Regenwürmern. Ihr habt nicht gewusst, dass Füchse auch Regenwürmer fressen? Nun ja, es ist ihnen zwar ein bisschen peinlich, aber wenn sie gerade nichts anderes fangen konnten, begnügen sie sich auch mal mit Regenwürmern.

Korbinian erschien das Frühstück aber wie ein Festmahl, so großen Hunger hatte er gehabt. Nachdem er alles verschlungen hatte, rülpste er herzhaft und Grimbart, der alte Dachs, lachte mit seiner tiefen Stimme amüsiert auf. „So wie du rülpst, bist du gar nicht mehr so klein, wie du aussiehst.“ sagte er. „Was hast du eigentlich gestern so allein im Wald gemacht?“ fragte er dann. Korbinian erzählte Grimbart darauf hin seine Geschichte. Er hatte schnell Vertrauen zu dem Dachs geschlossen, hatte dieser ihm doch ohne zu zögern geholfen, ein Bett und eine leckere Mahlzeit angeboten.

„Soso, nach Kirchheim zu den Turnern möchtest du.“ sagte Grimbart. „Ich bin beeindruckt, dass so ein kleiner Fuchs, wie du, den Mut hat, sich ganz alleine in so ein großes Abenteuer zu begeben.“ fuhr er fort. Dann erklärte er Korbinian den Weg nach Kirchheim. Grimbart war nämlich nicht nur alt, sondern auch sehr erfahren und kannte sich in der ganzen Gegend wie in seiner Westentasche aus. Zum Schluss warnte er Korbinian noch eindringlich vor dem Jäger. „Wenn ein Jäger auf seinem Hochsitz dich entdeckt, dann hat dein letztes Stündlein geschlagen.“ warnte er mit erhobener Kralle. „Achte besonders darauf, ob er seinen Jagdhund dabeihat!“ Zum Abschied hatte unser kleiner Fuchs Grimbart versprechen müssen, gut auf sich aufzupassen und, wenn er denn Turner geworden war, ihn einmal zu besuchen und seine Kunst vorzuführen.

Korbinian folgte der Wegbeschreibung des alten Dachses ganz genau und lief munter in die Nacht hinaus. Was hatte er noch gesagt? Wenn du den Waldrand erreicht hast, findest du einen schmalen Bach. Folge dem Bächlein, bis du zu einen Birkenhain kommst, den durchquerst du, in dem du den Spuren der Rehe folgst. Dann wirst du auf ein abgeerntetes Feld stoßen, dass du linksherum umgehen musst. Lass dich nicht von den Hasen ablenken, die auf dem Feld fangen spielen und gehe bloß nicht rechts herum, denn da steht der Hochsitz des Jägers! Auf der anderen Seite des Feldes kannst du schon den Steinbruch sehen und dahinter liegt Kirchheim.

Unser kleiner Fuchs war guter Dinge, ausgeschlafen und gut gesättigt. Er schaffte es viel schneller als erwartet, den Birkenhain zu erreichen. Mit seinem scharfen Geruchssinn gelang es ihm mühelos, die Spuren der Rehe zu wittern und folgte ihnen durch die Birkenbäume, die in der fahlen Nacht mit ihrer weißen Rinde schon ein wenig unheimlich wirkten. Als er das Feld erreichte hörte er heitere Stimmen. „Fang mich doch, fang mich doch! – „Du kannst so schnell rennen, wie du willst, ich krieg dich dennoch!“ – „Versuchs doch, du kriegst mich nicht – du kriegst mich nicht!“ Vorsichtig und tief an den Boden gedrückt schlich der kleine Fuchs vorwärts. Dann sah er sie auch schon. Auf dem abgeernteten Acker tobten zwei Hasen. Hui, wie die Rennen können! Und Springen und Haken schlagen können die auch. Korbinian war begeistert und beobachtete das Spiel der Hasen fasziniert. Vor lauter Begeisterung zuckte sein Schwanz hin und her und musste alle Kraft aufbringen um nicht leise zu fiepen. Trotz der Warnung Grimbarts schaute er den Hasen bei ihrem Spiel zu. Es war einfach zu toll, zu sehen, wie schnell sie Rennen konnten.

Die Zeit verging wie im Flug und plötzlich blieben die beiden Hasen wie versteinert stehen, hoben ihre Nasen in den Wind, um dann von einem auf den anderen Augenblick das Feld fluchtartig zu verlassen. Auf einmal wurde es Korbinian gleichzeitig glühend heiß und eiskalt. Er hatte den Hasen zu lange zugeschaut. Der Jäger musste gekommen sein. Ihn hatten die Hasen bestimmt gehört und waren natürlich sofort abgehauen. Korbinian bekam es nun mit Angst zu tun, er musste Kirchheim doch noch im Schutz der Dunkelheit erreichen! Was hatte Grimbart gesagt? Rechts um das Feld herum, denn links steht der Hochsitz, oder doch links herum? Er hatte den Weg vergessen!

Korbinian dachte fieberhaft nach, aber er konnte sich nicht mehr erinnern, welche Anweisungen der Dachs ihm gegeben hatte. Da die Zeit drängte, entschloss er sich, das Feld von rechts zu umrunden. Er schlich leise zwischen feuchten Farnkräutern und dornigen Brombeerranken am Waldrand entlang, bis er das Ende des Ackers erblicken konnte. Sein Herz schlug im vor Aufregung bis zum Hals. Nur ein paar Sprünge und er müsste Kirchheim schon sehen können. Er schnüffelte und schaute sich um, er lauschte aufmerksam, um dann mit mächtigen Sätzen loszustürmen.

RUMMS!

Schräg über ihm knallte es fürchterlich laut. Aus den Augenwinkeln sah er einen grellen, feurigen Blitz und ganz dicht neben ihm prasselte etwas in den feuchten Ackerboden. Dreck wurde aufgewirbelt und spritze ihm um die Ohren.

Der Jäger! Korbinian war doch falsch herumgelaufen – der Hochsitz war direkt hinter ihm. Unser kleiner Fuchs aber hatte Glück im Unglück, der Jäger hatte ganz knapp danebengeschossen. Mit klingelnden Ohren rannte Korbinian weiter auf das Ende des Feldes zu. Japsend und mit rasendem Herzschlag erreichte er die Buschreihe, die den Steinbruch vom Acker trennte.

Doch noch war er nicht außer Gefahr, hinter sich hörte er ein lautes Bellen!

Kapitel IV

oder die Geschichte woher der Name Kiri kommt

Unser kleiner Fuchs war in größter Gefahr. Nachdem er den rechten Weg verlassen hatte, war er auf einen Jäger gestoßen. Nur mit viel Glück war er dem gezielten Schuss des Jägers entkommen. Doch hatte dieser seinen treuen, alten Jagdhund auf seine Fährte gehetzt.

Korbinian Ingbert Rasmus Isenfried vom Reinhardswald rannte um sein Leben. Der große Jagdhund hatte mit schnellen Sätzen bereits dicht zu ihm aufgeholt und unser kleiner Held hörte den Atem des Hundes in seinem Nacken. Der kleine Fuchs war den Abhang zum Steinbruch heruntergerannt und blickte sich nun unschlüssig und angsterfüllt um, wo er sich vor dem Jagdhund in Sicherheit bringen könnte. Da! Dort führte der Weg hinaus aus dem Steinbruch. Mit neuem Mut sprintete er los. Der Jagdhund war aber immer noch auf seiner Fährte und dicht hinter ihm. Der Weg führte auf den Ort Kirchheim zu. Neben dem Weg verlief ein Wassergraben, in dem aber kaum Wasser stand. Korbinian sah, dass der Graben in einem Abwasserrohr mündete. Ohne lange zu überlegen sprang er in den Graben und flüchtete in das Rohr. Tiefe Dunkelheit und ein muffiger, modriger Geruch umfingen ihn. Hinter ihm wurde das Bellen des großen Hundes immer lauter und hallte in dem Rohr schallend nach. Der Fuchs sah sich um. Der Jagdhund war ihm in das Rohr gefolgt und sein großes Maul mit den scharfen Zähnen, von denen der Geifer troff, schnappte nach seinem Schwanz. Fauliger Atem schlug dem Füchslein entgegen. Korbinian fiepte vor Angst und wich mit weit aufgerissenen Augen rückwärts immer weiter in das Abwasserrohr zurück. Der Hund aber war so groß, dass er ihm nur mit Mühe kriechend folgen konnte. Auf einmal begann er zu Winseln. Der Hund steckte fest.

Unser kleiner Fuchs nutze seine Chance ohne zu zögern und kroch weiter in das Rohr hinein, immer weiter weg von dem furchtbaren Jagdhund. Nach wenigen Metern, die ihm wie eine Ewigkeit vorkamen, gelangte er wieder ins Freie. Er verschwand schnell in einem Gebüsch, dass bereits an die ersten Gärten des Ortes angrenzte.

Aus dem Garten kam ein seltsamer Geruch. Irgendwie vertraut, aber doch völlig anders als alles, was Korbinian kannte. Ein Tier musste in diesem Garten sein! Vorsichtig schlich er näher. Ein weiterer Hund war es nicht, das konnte er riechen. Er schnupperte weiter, dann erkannte er den Geruch. Im Garten war eine Katze. Jetzt sah er sie auch. Eine grau getigerte Katze mit großen gelben Augen sah ihn unverwandt an, während sie bewegungslos auf einer Gartenbank kauerte. Korbinian wusste nicht viel über Katzen, aber eines wusste er genau: Katzen mögen Hunde nicht besonders. „Hallo!“ rief er. „Mich hat ein Hund hierher gejagt!“. Die Katze antwortete mit einem nichtssagenden „Miau.“ Dann erhob sie sich aber ganz langsam und behäbig, dehnte sich genüsslich und sprach mit einer melodischen, weichen Stimme: „Hallo kleiner Fuchs. Hier in meinem Garten gibt es keine Hunde und es traut sich auch keiner hinein, seit ich einmal einem die Nase blutig gekratzt habe.“ Korbinian starte die Katze staunend an. „Du bist aber mutig.“ sagte er dann. Dies schmeichelte der Katze sehr – und wie ihr vielleicht wisst, sind Katzen für Schmeicheleien sehr empfänglich. „Wohin willst du denn? Mein Garten wird ja wohl kaum dein Ziel gewesen sein.“ schnurrte sie gönnerhaft fragend, während sie sich eine Pfote leckte. Unser kleiner Fuchs erzählte ihr seine Geschichte. Die Katze hörte ihm in aller Ruhe zu Ende zu und erklärte dann: „Du scheinst ein kleiner Glückspilz zu sein. Mein Mensch ist Übungsleiterin im TV Kirchheim und trainiert viele Kinder im Turnen.“ Die Katze, sie hieß übrigens Kitty, sah Korbinian durchdringend an und sprach dann weiter: „Wenn du mir zeigst, dass du etwas vom Turnen verstehst, dann rufe ich sie.“ Unser kleiner Fuchs ließ sich nicht lang bitten. Er sprang, er hüpfte, er rollte und er rannte. Er machte Männchen, auf den Hinterbeinen, wie es jeder Hund kann, aber auch auf den Vorderbeinen, worauf er besonders stolz war. „Genug, genug!“ brummte die Katze, stellte sich vor die Terrassentür und begann herzzerreißend zu miauen. Nach wenigen Minuten rief ein Mensch aus einem Nachbarhaus wutentbrannt: „Ruuuhheee!!!“ Doch davon ließ sich Kitty nicht stören. Sie schrie unvermindert weiter. Nach einer gefühlten Ewigkeit, ging im Haus das Licht an und eine Frau kam zur Terrassentür, öffnete diese und schaute schlaftrunken auf ihre Katze. „Kitty, was ist den los? Hast du Hunger?“, dann fiel ihr Blick auf Korbinian. „Wen haben wir denn hier?“ Unser kleiner Fuchs setze sich gerade hin und stellte sich vor. „Ich bin Korbinian Ingbert Rasmus Isenfried vom Reinhardswald…“. „Was!?“ rief die Frau, „Das ist mir viel zu lang. Aber warte nur, für dich finde ich schon einen schönen, kurzen Namen. Jetzt kommst du erstmals rein und bekommst etwas zu fressen.“

Korbinian leckte sich noch sein Mäulchen von dem Katzenfutter – Ente und Huhn in Gelee – als er schon begann der Frau seine Geschichte zu erzählen. Sie saß mittlerweile in ihrem Lieblingssessel in eine weiche Kuscheldecke gehüllt und hörte ihm neugierig zu. Als er ihr seine Turnübungen zeigte, war sie sehr erstaunt und entzückt. „Dich nehme ich mit in die Turnhalle.“ sagte sie. „Da kannst du mit den Kindern zusammen turnen. Die werden Augen machen, wenn ich einen Turnfuchs mit in die Übungsstunde bringe.“ Sie nahm ihn hoch auf ihren Schoß, streichelte ihn und sprach weiter: „Einen Namen habe ich auch schon für dich. Ab sofort werden wir dich Kiri nennen. Genauso heißt unser Ort im Fränkischen und wenn man deine Initialen, das sind die Anfangsbuchstaben deiner Vornamen, hintereinander ausspricht, dann kommt man auch auf Kiri!“ (Korbinian Ingbert Rasmus Isenfried) Kiri gefiel sein neuer Name richtig gut und freudig fiepend kuschelte er sich an die Frau, rollte sich zusammen und schlief zufrieden, dass er sein großes Ziel erreicht hatte, sofort ein. Er träumte von seinen Abenteuern und davon ein großer Turner zu werden.

So kam es, dass ein Fuchs zum TV Kirchheim kam. Um an diese fantastische Geschichte zu erinnern, hat jedes Turnkind vom Nikolaus einen kleinen Kiriplüschfuchs als Geschenk bekommen.